Passt ein Holländischer Schäferhund zu mir?


 

Die Frage, ob eine Rasse X oder ein Hund, den man im Tierheim gesehen hat, zu einem passt, sollte man sich in jedem Fall stellen - und auch ehrlich beantworten!

Die Antwort darauf kann einem niemand abnehmen und man muss sie für sich selbst finden.

 

Ich erntete damals viel Kritik & Gegenwind, als ich preisgab, für welche Rasse ich mich als Zweithund entschlossen hatte. Ich hörte mir an, was die Menschen zu sagen hatten, nahm einiges davon für mich mit und entschied, wie sehr ich dieses oder jenes Argument in meine Entscheidung einfließen lassen wollte. Für mich selbst stand von Anfang an fest: "Wenn ich mit dem 'worst case' leben kann, dann entscheide ich mich für den Hund". Dennoch wollte ich es nicht auf den 'worst case' ankommen lassen, weswegen ich mir viel Zeit für die Recherche nach (m)einem passenden Gefährten nahm.
 

Schnell stellte ich fest, dass die meisten meiner Kritiker den Holländer "nur vom Hörensagen her" kannten oder den sogenannten 'Xer' (X steht erstmal nur für Kreuzung, meist wird damit ein Mix aus Malinois und Hollandse Herder bezeichnet). Auch kommt es sehr auf den individuellen Menschen an, wie er einen Hund wahrnimmt. An meiner jetzigen Hündin sehe ich wie sehr die Wahrnehmung auseinander klafft.
Deswegen ist es wichtig, sich ein eigenes Bild zu machen, was ich mit dem Besuch von Ausstellungen, Clubshows, Rasse-Events und Herdertreffen tat.

 

Nun ist die Frage: Was erwarte ich von meinem zukünftigen Begleiter? Und viel wichtiger: was kann ich ihm bieten? Also nahm ich mich zunächst selbst unter die Lupe:

 

Als hundeunerfahren würde ich mich nicht bezeichnen. Von Kleinauf begeisterten mich die Vierbeiner, ich scheute mich selbst nicht vor denen, die mich größentechnisch bei Weitem überragten. Schon im Grundschulalter übernahm ich die Verantwortung für einen Pflegehund (einen eigenen konnte ich zu der Zeit aufgrund der äußeren Umstände nicht halten). Im Teenageralter half ich dann meiner Nachbarin in ihrem Dogwalk-Service aus (bis zum Abitur) und übernahm Pflegehunde, die ich auf ihre Vermittlung vorbereitete. Während meiner Ausbildung zur Immobilienkauffrau war mir die Aushilfe nicht mehr möglich. Ich arbeitete noch ein paar Jahre in dieser Branche, aber es verging kein Tag, an dem ich mich nicht zurücksehnte. Also suchte ich einen Job in einer Hundeschule. So arbeitete ich vormittags im Büro und half nachmittags in der Hundeschule aus. Das war die Zeit, zu der ich dann auch zu Sierra kam. Ein knappes Jahr darauf wechselte ich zu der Hundetagesstätte meiner damaligen Nachbarin und war von da an als Dogwalker tätig. Über die Jahre habe ich also viele verschiedene Hunde kennengelernt.

Zu der praktischen Erfahrung kommt noch ein Haufen Theorie. Etliche Bücher, die ich gewälzt und Seminare, die ich besucht habe.

 

Dann geht es natürlich nicht nur um Erfahrung; man braucht auch ein "gewisses Händchen" und den Willen dazu. Ebenso zählen auch andere Umstände: 

Sind alle Mitbewohner mit der Anschaffung einverstanden? Gibt es Allergien, Ängste, Wut? Hat man die Zeit und das Geld für einen Hund? Darf ich den Hund mit zur Arbeit nehmen oder wäre er lange alleine? Brauche ich eine Haltegenehmigung? Muss ich Auflagen erfüllen (z.B. aufgrund bestimmter Rassen)?

 

Weniger wichtig war für mich die Größe der Wohnung. Sierra kam zu uns, da lebten wir in einer 80 m² Mietwohnung mit Garten (die Erlaubnis des Vermieters zur Hundehaltung ließ ich mir schriftlich geben) in Düsseldorf. Wir waren viel unterwegs und konnten mit dem Auto rausfahren; wir hatten Parks in direkter Nähe und Wald, Flüsse und Seen waren mit dem Auto schnell zu erreichen sowie etliche Hundeplätze, die wir zur Auswahl hatten. Zuhause wurde also die meiste Zeit eh nur geschlafen und Möglichkeiten zur Auslastung gab es zur Genüge. Zur Arbeit durfte ich nun auch einen Hund mitbringen (das war mir im vorherigen Job nicht möglich), weswegen erst dann ein Hund einziehen konnte. Und dort lebten wir auch noch die erste Zeit als Acid dazukam.

 

Nun leben wir in einem freistehenden Einfamilienhaus mit 1.600 m² Grundstück im Westerwald. Wälder, Flüsse und Felder in die eine Richtung, die Altstadt in die andere. Dafür haben wir es etwas weiter zu den Hundeplätzen und nicht so eine große Auswahl wie in Düsseldorf. Inzwischen arbeite ich Teilzeit in einem Hundezentrum (Pension & Training), wohin mich meine Hunde ebenfalls begleiten dürfen.

 

Zusammengefasst also:

- Habe ich Erfahrung mit Hunden oder weiß ich gerade mal - überspitzt gesagt -, dass ein Hund im Normalfall vier Beine, eine Rute und einen Kopf hat?

- Habe ich das Herz zur Haltung eines Hundes?

- Habe ich die finanziellen Mittel, mir einen Hund nicht nur in der Erstanschaffung zu leisten sondern auch die laufenden Kosten wie Futter, Tierarzt, Steuern, Versicherungen & Co.?

- Habe ich die Zeit oder bin ich zu lange auf der Arbeit und der Hund wäre die meiste Zeit alleine oder darf er mit zur Arbeit?
- Habe ich ansonsten die Möglichkeit zur Unterbringung / Betreuung durch entsprechende Personen oder Einrichtungen?

- Habe ich Eigentum oder benötige ich die Erlaubnis des Vermieters?

- Sind alle Familienmitglieder mit der Anschaffung einverstanden?

- Bin ich mir der Verantwortung und Arbeit bewusst? 

- Hatte ich schon mal einen Welpen und/oder eine Vorstellung davon, dass das kleine Fellknäuel (so süß es auch ist), mein Leben ganz schön auf den Kopf stellen kann (und wahrscheinlich auch wird, wenn man die Welpenzeit gekonnt verdrängt hat)?

- Wie viel Trubel herrscht bei mir? Viel Besuch? Andere Haustiere? Kinder?

- Reise ich viel und darf bzw. kann der Hund mit?

 

Wenn ich mir nun also die wichtigsten Fragen gestellt und herausgefunden habe, was ich einem Hund bieten kann, kann ich mich fragen, was ich eigentlich vom Hund erwarte. Und hier kommt dann auch der Punkt des 'worst case' zum Tragen. Dafür muss ich mich erstmal mit den (rassetypischen) Eigenschaften beschäftigen - und zwar sowohl mit den positiven, als auch mit den negativen, die ja gerne mal überlesen oder umgedichtet werden. Auch, wenn es eine breite Varianz an Verhalten innerhalb einer Rasse gibt.

 

Hierzu habe ich verschiedenste Bücher über sämtliche Rassen gelesen. Danach vertiefte ich mein Wissen über den Holländischen Schäferhund zunächst über Informationen und Erfahrungsberichte, die man im Internet & in Foren so finden konnte und dann natürlich auch persönlich: durch Ausstellungen und Events des Rasseclubs (das Wichtigste: Halter und ihre Hunde live kennenlernen!). Ich stellte für mich fest, was mich am Holländer fasziniert; welche Variante besonders. Ich schaute mir die Stammbäume an und fand für mich heraus, welche 'Linien' ich besonders gerne in meinem Hund hätte.
Allerdings fragte ich mich auch, ob ich damit klar käme, wenn (wider Erwarten) die negativsten Eigenschaften überwiegen würden. Und dann die Frage: was sind für mich überhaupt negative Eigenschaften?! Was der eine als negativ empfinden würde, ist für den anderen eventuell gerade erwünscht. Wie soll der Hund also (besonders) im Alltag sein?

 

Hier muss man sich also fragen:

- In welchem Genre der FCI-Gruppen würde ich mich am liebsten bewegen?

- Kann ich damit leben (oder damit arbeiten), wenn der Hund starke jagdliche Ambitionen hat?

- Wie sieht es aus, wenn er alles hütet?

- Wenn er impulsiv und reaktiv ist?

- Wenn er nervös ist und ein dünnes Nervenkostüm hat?

- Wenn er reserviert und zurückhaltend ist?
- Oder ängstlich oder sogar panisch?

- Was, wenn er Artgenossen - nett ausgedrückt - nicht gerade berauschend findet?

- Oder gar Menschen? Vielleicht sogar den eigenen Besitzer?

- Was, wenn er von sich aus nicht zur Ruhe findet?

- Wenn er extrem faul oder hyperaktiv ist, obwohl man sich das Gegenteil erhoffte?

- Wenn er (unfreiwillig) Haus und Hof bewacht?

- Was, wenn er ewig nicht stubenrein wird?

- Wenn er dauernd bellt (Stichwort: Nachbarn)?

- Wenn er nicht alleine bleiben kann?

- Wenn er mir meine gesamte Inneneinrichtung auseinander nimmt?

- Oder wenn er sich für den Sport / Zweck der Anschaffung nicht eignet?

- Bin ich bereit, an eventuell auftretenden Problemen zu arbeiten?

- Ab wann wird eine Verhaltensweise für mich überhaupt erst zum Problem?

 

Das und noch viel mehr sind Dinge, die ich mich vorab gefragt und mir bewusst gemacht habe. Hier finde ich es immer besser, man geht vom absolut schlimmsten Fall aus und hat lieber ein paar B- und C-Pläne (und braucht diese dann bestenfalls am Ende nicht), als dass man denkt "wird schon alles passen" und steht dann ratlos da, wenn einer der Fälle doch eintreten sollte.

 

Das ist der Grund, warum ich mich intensiv mit der Rasse beschäftigt und viele kennengelernt habe. Besonders die potentiellen Eltern. Ich war mir am Ende sicher. Ich war aufgeregt, habe aber nicht eine Sekunde gezweifelt. Und so kamen wir dann zu Acid.

 

Fazit:

Nehmt euch Zeit für die Entscheidung. Stellt euch also vorab diese Fragen, erstellt ggfs. eine Pro- und Contra-Liste, lernt Hunde, ihre Herkunft, ihre Menschen und ihre Züchter kennen, werdet euch klar darüber, was ihr euch vorstellt, was ihr euch wünscht und was ihr von euch und dem Hund erwartet. Seid vor allem ehrlich! Zu euch selbst und zu den Züchtern. Nur so kann man versuchen, das bestmöglich passende Team zusammen zu stellen (auch indem eventuell ein besser passender Züchter empfohlen wird) und Hund und Halter am Ende glücklich zu machen.


Und: wenn ihr auf der Suche seid, nach einem Hund, der sich quasi selbst erzieht, der kaum Arbeit und Aufwand bedeutet, dann seid ihr beim Holländer (und übrigens auch bei den meisten anderen Rassen) falsch.

Wenn ihr den freudig arbeitenden Hund auf dem Hundeplatz seht oder den tollen, heldenhaften Hund im Film und ihr euch denkt "sowas hätte ich auch gerne!", seid euch bewusst, dass das nicht "einfach so von nichts" kommt!

Ich als Züchter versuche, die bestmögliche Basis für einen tollen Hund als Fundament zu "liefern". Allerdings darf man sich darauf nicht "ausruhen". Diese Arbeit muss im neuen Zuhause fortgeführt werden!


JA, ein Welpe ist süß.


Aber auch:


JA, ein Welpe beißt.

JA, ein Welpe verrichtet seine Geschäfte mal im Haus.

JA, es kann sein, dass der Welpe beim Autofahren bricht.

JA, es kann sein, dass er weint, weil er seine gewohnte Umgebung vermisst.

JA, ein Welpe macht verdammt viel Arbeit und stellt den gewohnten, bisherigen Alltag völlig auf den Kopf!

JA, ein Welpe (besonders bestimmter Rassen) muss erst mal lernen, Ruhe zu halten, sich zurückzunehmen etc.

JA, ein Welpe muss erst lernen, alleine zu bleiben.

JA, ein Welpe muss auch erst lernen, vernünftig an der Leine zu laufen, auf den Rückruf zu achten, und und und.

JA, so ein Welpe muss verdammt viel lernen.


Auch, wenn er all das schon bei uns im Ansatz gelernt hat - er hat es noch nicht generalisiert.

Euer Job ist es, eurem neuen Familienmitglied die Welt zu zeigen und euren Alltag hundegerecht zu vermitteln. Ihr habt mit dem neuen Begleiter einen Erziehungsauftrag!


Wenn ihr einen Hund von mir bekommen habt, dann habt ihr ein Stück meines Herzens bekommen.

Ein kleines Lebewesen, in das ich all mein Herzblut, all mein Wissen, all meine Ressourcen gesteckt habe, für die kurze Zeit, die es bei mir war.

Ich habe ihm gezeigt, was ich für wichtig halte (Ruhe lohnt sich, ansprechbar sein, Schnellstraßen mitsamt LKW, Motorrad, Traktor und Co., Geräusche und Untergründe jeglicher Art, Reize gut auszuhalten etc. pp.). Die Synapsen bilden sich jedoch - besonders nochmal in der Pubertät - neu: was nicht gebraucht wird, kommt weg. Und neue Verknüpfungen kommen hinzu.

Wenn es also später ein Problem geben wird (insbesondere, was hätte verhindert werden können), werde ich genau so leiden 😜

Und im schlimmsten Fall leidet nicht nur ihr und ich, sondern eben der Hund.

Um das zu verhindern, ist es eben unglaublich wichtig, zu wissen, worauf man sich einlässt und zu wissen, was man möchte (und was nicht).